StrategieberatungHR-Trends 2022

HR- und Arbeitswelt-Trends 2022

HR-Trends 2022

von Christoph Jordi

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Wir werfen wieder einen Blick in die Zukunft. Was hat uns letztes Jahr beeindruckt? Wie erleben wir unsere Kund:innen? Woher weht der Wind? Was passiert in anderen Ländern? Hier sind die wichtigsten Arbeitswelt- und HR-Trends 2022.

HR-Trend 1: Mach ein Büro auf? Mach ein Büro auf!

Dringlichkeit *****
Erfolgsrelevanz ****
Schwierigkeitsgrad ****

Wenn es in der Vergangenheit darum ging, Absenzen zu kontrollieren, geht es in Zukunft darum, Präsenz zu organisieren. In den nächsten Jahren werden wir uns damit beschäftigen müssen, wie wir den Arbeitsplatz neu definieren. Wie wir die Arbeitsgemeinschaft neu organisieren. Wie wir produktive Treffpunkte und Arbeitsorte schaffen. Es gilt, Umgebungen zu gestalten, die anziehen, inspirieren und Produktivität provozieren. Was schnell gesagt ist und sehr spannend klingt, ist harte Arbeit. Und das Doofe daran ist, dass es kein Rezept gibt. Je nach Ausprägung, Aufgabe und Herausforderung des Unternehmens, wird das unterschiedlich aussehen müssen. Dass ein Arbeitstisch mit Bildschirm und eine Kaffeemaschine nicht mehr genügen, ist wohl allen klar.

Weiterführende Links und Inspirationsquellen:
Sandy Speicher, CEO of ideo über neues Zusammenarbeiten

Arbeitsorte als Treffpunkt und Erlebnisstätte im HR Today-Blog

Arbeitswelt-Trend 2: Chef als Dienstleistung

Dringlichkeit *****
Erfolgsrelevanz *****
Schwierigkeitsgrad ****

Führung wird zur Dienstleistung. Bitte hier kurz innehalten. Dieser Gedanke stellt einiges auf den Kopf, was wir unter dem Thema Führung in den letzten Jahrzehnten eingetrichtert bekommen haben. Wir wenden uns vom Gedanken ab, dass es bei Führung darum geht, Mitarbeitende effizient dazu zu bringen, Mehrwert für das Unternehmen zu generieren. Von diesem kurzfristigen Ansatz der Effizienzsteigerung – nämlich Mitarbeitende einzig als Mittel zur Gewinnoptimierung zu sehen – geht es heute mehr um Effektivität. Wir sehen den Mitarbeitenden als Ressource für nachhaltige Wertschöpfung. Die Frage lautet: Wie schaffe ich es, menschliche Ressourcen im Unternehmen so zu fördern und zu pflegen, dass sie sich möglichst selbständig da engagieren, wo sie nachhaltig am meisten Nutzen generieren? Auch wenn der Gedanke des «Servant Leaders» nicht neu ist – dieser Ansatz aus der agilen Unternehmensentwicklung wird definitiv zum Mainstream für die Zukunftsfähigkeit der Organisation.

Weiterführende Links und Inspirationsquellen:
Mehr zu den Servant Leaders

HR-Trend 3: Talente mieten statt kaufen

Dringlichkeit **
Erfolgsrelevanz ****
Schwierigkeitsgrad *

Schnelle Bewegungen am Markt bringen viele Firmen in Personalnot. Bis sich das interne Talent die neuen Fähigkeiten angeeignet hat, ist schon das nächste Thema auf der Agenda. Wenn es gemäss WEF stimmt, dass bis 2025 die Hälfte aller Jobs massiven Weiterbildungsbedarf hat, dann werden wir es kaum schaffen, alle diese Lernbedürfnisse intern abzuarbeiten. Lücken in der Belegschaft mit Temporärkräften zu füllen, ist vor allem bekannt in Arbeitsbereichen mit tieferem Spezialisierungsgrad. Wenn Expertenwissen oder neue Skills gefragt sind, ist die Versuchung gross, jemanden gleich einzustellen oder intern auszubilden. Klassischerweise hat man in den letzten Jahren zum Beispiel gesehen, dass Rollen wie «Chief Digital Officer» boomen. Dabei zeigt sich gerade bei dieser Rolle meist innerhalb kurzer Zeit, dass die Aufgaben von anderen Geschäftsbereichen integriert werden müssen. In Zukunft müssen sich Unternehmen deshalb gut überlegen, ob es mittelfristig nicht viel günstiger ist, Spezialtalente dazu zu mieten, statt gleich neue Stellen zu schaffen, die den Headcount belasten.

Weiterführende Links und Inspirationsquellen:
Mehr zu Temporärarbeit für Hochqualifizierte

Arbeitswelt-Trend 4: Daten lesen, künstliche Intelligenz nutzen

Dringlichkeit **
Erfolgsrelevanz ***
Schwierigkeitsgrad **

Daten nutzen und intelligent kombinieren.Aktionen generieren. Fluktuation reduzieren, gezielt angehen.
Viele Dinge, die im Internet längst selbstverständlich sind, werden im HR immer noch konsequent verweigert. Die konsequente Arbeit mit Personaldaten. HR hat eine Menge Daten zum wertvollsten, das eine Firma besitzt: den Mitarbeitenden. Und diese Daten werden kaum ausgewertet und noch weniger genutzt. Dabei geht es nicht darum, persönliche Daten auszuwerten oder den Mitarbeitenden nachzuspionieren. Es geht um simple Dinge. Erkennen wir ein Muster aus den letzten 100 Kündigungen, die aktiv ausgelöst wurden? Machen wir etwas damit? Gibt es Muster zwischen externen Ausbildungen, die Mitarbeitende aus eigenem Antrieb absolvieren und Beförderungen? Was heisst das für uns? Können wir auf gewisse Muster mit bestimmten Aktionen reagieren? Bevor vollendete Tatsachen uns den Schlaf rauben? Künstliche Intelligenz ist ein grosses Wort. Der Weg dazu beginnt mit kleinen, banalen Analysen.

Weiterführende Links und Inspirationsquellen:
Ein Tutorial und 7 Praxisbeispiele zur Nutzung von Daten im HR

HR-Trend 5: Spielplatz für Talente sein

Dringlichkeit ***
Erfolgsrelevanz *****
Schwierigkeitsgrad ****

Wer gute Talente will, muss Talentspielplätze schaffen. Orte, wo sich Talente ausleben, entwickeln und beweisen können. Stellenbeschriebe sind Talentgefängnisse. Wer es als Arbeitgeber schafft, sich eher als Plattform und Marktplatz für Entwicklungsmöglichkeiten zu sehen, wird plötzlich von spannenden Talenten umgeben sein. Offene Strukturen helfen dabei enorm. Flache Hierarchien auf jeden Fall. Psychologische Sicherheit ist eine weitere Erfolgszutat. Und agile Arbeitsformen. Talent braucht Entfaltungsraum. Wer spannende Menschen einzwängt in Prozesse und Protokolle, wird sie schnell wieder verlieren. Nur etwas ist noch schlimmer: Die Talente werden ins System einsozialisiert und bleiben. Wie heisst das schöne Sprichwort? Richtig: «Wer nur Bananen füttert, muss sich nicht wundern, wenn er nur Affen um sich hat.» In Zeiten von chronischer Talentknappheit eine super wichtige Herausforderung für jede Organisation mit Zukunftsplänen.

Arbeitswelt-Trend 6: Stellung beziehen

Dringlichkeit ****
Erfolgsrelevanz ****
Schwierigkeitsgrad ***

Der CEO der Versicherungsgesellschaft, bei der ich in den 90er Jahren arbeitete, gab seinen Mitarbeitenden durch, wie sie bei nationalen Abstimmungen zu wählen hätten. Es war klar, wofür er stand und er machte keinen Hehl daraus. Was gestern eher verpönt war, wird von den Mitarbeitenden heute immer mehr gewünscht. Man möchte für ein Unternehmen arbeiten, das für seine Werte einsteht und klar Stallung bezieht, wenn diese Werte in Gefahr sind. Das stärkt die Gemeinschaft und ist Teil der Kultur. Ein Unternehmen, das hier wieder einmal die Vorreiter Rolle übernimmt, ist Patagonia. Mit seinem Einnäher «Vote the assholes out» in der eigenen Kollektion landete das Outdoorunternehmen einen viralen Hit und setzte ein klares Statement ab. Es muss nicht immer so radikal sein. Leitbilder, die nur intern gebraucht werden, sind out. Mitarbeitende wollen sich identifizieren mit ihrer Arbeit und den dazugehörenden Haltungen. Das fördert das Zugehörigkeitsgefühl und die Identifikation mit dem Unternehmen.

Weiterführende Links und Inspirationsquellen:
Mehr zur “Vote the Asshole out” Kampagne von Patagonia 

HR-Trend 7: Arbeiten als Gesundheitstherapie

Dringlichkeit ****
Erfolgsrelevanz ****
Schwierigkeitsgrad **

Gemäss Art. 328 Abs. 1 OR hat der Arbeitgeber im Arbeitsverhältnis die Persönlichkeit des Arbeitnehmers zu achten und zu schützen, auf dessen Gesundheit gebührend Rücksicht zu nehmen und für die Wahrung der Sittlichkeit zu sorgen. Diesen Text kennt man aus der HR-Grundausbildung. Oder? Nun glauben wir, dass der Arbeitgeber, der per Gesetz daran erinnert wird, dass bei ihm keine Maschinen am Schreibtisch sitzen, schon etwas weiter denken muss. Ganz eigennützig. Der Gedanke läuft so: Wer sich aktiv um das geistige und physische Wohl des Mitarbeitenden kümmert, bekommt mehr Produktivität als Gegenleistung. Und da Gesundheit und Achtsamkeit ganz grosse Megatrends sind, tut das Unternehmen gut daran, sich hier richtig ins Zeug zu legen. Das ganze betriebliche Gesundheitsmanagement wird schon lange durch die Gänge getragen. Es geht aber viel weiter. Wer richtig punkten will, sollte attraktive Monitorings und Gesundheitsunterstützungsprogramme anbieten. Gerade im Homeoffice verliert man schnell das Gefühl dafür, wie gut oder schlecht es jemandem wirklich geht. Hier sind neue Lösungen gefragt. Dabei spielt die Förderung der mentalen Gesundheit eine immer zentralere Rolle. Dies zeigen Unternehmen, die schon spezifische Events und Förderprogramme zu Mental Health und Mindfulness anbieten.

Weiterführende Links und Inspirationsquellen:
Studie von Gartner zur mentalen Gesundheit and Well-Being von Mitarbeitenden

Arbeitswelt-Trend 8: Diskriminierungsfallen sprengen

Dringlichkeit ***
Erfolgsrelevanz ***
Schwierigkeitsgrad *

Gemäss einer aktuellen Studie von Gartner glauben 64% der Vorgesetzten, dass Mitarbeitende im Office leistungsfähiger sind als im Homeoffice. Aber im hybriden Betrieb lauern Diskriminierungsfallen. So ist bekannt, dass tendenziell eher Männer den Weg zurück ins Office finden. Dabei natürlich auch eher diejenigen, die schon oben in der Nahrungskette stehen. Die natürliche Reaktion der Organisation ist nun, dass Leute im Office besseren Zugang zu Informationen haben und tendenziell auch eher gefragt werden, wenn es um Beförderungen oder spannende Projekte geht. Heisst: Wer mehr im Homeoffice arbeitet, wird weniger wertgeschätzt und eher übergangen. Aufgabe von HR wird sein, diese Diskriminierungsmechanismen offenzulegen.

HR-Trend 9: HR-Aktivisten

Dringlichkeit **
Erfolgsrelevanz *****
Schwierigkeitsgrad **

Von HR wird in Zukunft mehr erwartet, als nur Aufputzer einer dysfunktionalen Geschäftsleitung zu sein. Oder inakzeptable Fehler der Vorgesetzten wieder gerade zu biegen und gute Miene zum bösen Spiel zu machen. In einer Welt, die transparenter wird, in einer Welt, in der ehrliche und offene Kommunikation einen hohen Wert hat – da darf es nicht sein, dass HR mit Fake-News Sand in die Augen der Belegschaft streut. Die Kultur eines Unternehmens wird immer definiert durch das maximal inakzeptable Verhalten, das eine Organisation toleriert. Hier ist es unsere Aufgabe, hinzuschauen, Vorgesetzte in die Pflicht zu nehmen und aktiv zu werden. Ich wünsche mir mehr Mut, wenn es darum geht, Ungerechtigkeit, Ungleichheit, Verschwendung und Überheblichkeit beim Namen zu nennen und Massnahmen zu treffen.

Arbeitswelt-Trend 10: HR wird neu aufgestellt

Dringlichkeit ***
Erfolgsrelevanz ****
Schwierigkeitsgrad ****

Moderne HR-Organisationen haben drei Bereiche. Operations, Strategie und Success-Management. Operations steckt voll in der Digitalisierung und Automatisierung. Diese wird weitergehen. Trotzdem ist und bleibt Operations der Motor der HR-Funktion. Ohne die Basisleistungen wie Administration, Payroll, Pensionskasse und HR und Logistik geht nichts. Die Strategieabteilung befasst sich mit dem unternehmerischen Wertschöpfungsprozessen wie Workforce Planning, Skillshift und Organisationsentwicklung. Der letzte Bereich kümmert sich darum, dass Mitarbeitende das Beste aus sich herausholen können. Es geht um den Aufbau und die Pflege einer Umgebung, die Erfolg fördert. Dazu gehören Onboarding-Programme ebenso wie Employer Branding, Kulturarbeit, Gesundheitsprogramme, Kommunikation oder Learning. Ein Shift steht uns also auch hier ins Haus. Das traditionelle HR Business Partner-Modell hat in modernen Organisationen definitiv ausgedient.

Fazit: Arbeitswelt- und HR-Trends 2022

Meine Trends sind weder abschliessend noch brandneu. Es ist eine Kombination aus Markterfahrung, Marktbeobachtung und Recherche. «The future ist here and we are already late», heisst das Zitat von Buckminster Fuller, amerikanischer Architekt und Visionär. Noch nie mussten wir mit so viel Wandel in so kurzer Zeit umgehen. Unsicherheiten aushalten, Pläne über Bord werfen, unsere Denkweisen und Arbeitsmodelle hinterfragen. Das bringt enorm viel Verunsicherung, aber gleichzeitig auch fantastische Gestaltungsmöglichkeiten. Versuchen Sie dies zu nutzen!

Hast du Lust, dich näher mit den Zukunftstrends auseinanderzusetzen?

Wir starten im März eine Eventreihe, in der wir die Trends Achtsamkeit, Künstliche Intelligenz und demografischer Wandel näher beleuchten.

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