OrganisationsentwicklungChange Management, Agile Organisationsentwicklung, Change

Agile Organisations­entwicklung – 5 Tipps für Change!

Change Management, Agile Organisationsentwicklung, Change

von Saskia Baer

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Veränderungskompetenz ist der Schlüssel für erfolgreiche, zukunftsfähige Organisationsentwicklung. Dass Stillstand der Tod ist und agile, netzwerkartige Organisationen auf dem Vormarsch sind, wissen wir nicht erst seit gestern. Denn sie bringen im Gegensatz zu ihrem Counterpart der starren Pyramide genau die Beweglichkeit und Anpassungsfähigkeit mit, die es in heutigen und künftigen Zeiten braucht. Viele Unternehmen sind auf dem Weg – und wir als Wegbegleiter:innen in diesen oft tiefgreifenden Veränderungen mehr als erfreut, dass es vorwärts geht.

Die Erfahrungen in der Pandemie haben den Change nochmal beschleunigt. Corona war wie ein Booster für die Veränderungsfähigkeit von vielen Organisationen. Da war das Unmögliche dann doch irgendwie möglich und Veränderungen konnten plötzlich viel schneller umgesetzt werden, als jemals geglaubt. Mit grosser Wirkung. Und damit diese Energie nach vorne nicht wieder verpufft und der Ball der Veränderung in der Luft bleibt, kommen hier 5 Tipps für agile Organisationsentwicklung:

1. Do Change Management differently!

Klassisches Change Management erfolgt oft im stillen Kämmerlein. Experten überlegen sich das Was, Wie und Wann und dann wird das Change Programm grossflächig ausgerollt. Die Mitarbeitenden werden meist überrollt – mit wenig bis keiner Möglichkeit mitzugestalten oder zu beeinflussen. Was passiert? Das Change-Vorhaben funktioniert nicht und bei der nächsten Change-Initiative wird noch besser geplant, damit es dann hoffentlich besser klappt. Mehr vom Gleichen also.

Menschen und Organisationen sind in ihren Reaktionen auf Veränderungen jedoch nicht vorhersagbar. Dafür ist der Mensch ein zu facettenreiches Wesen und Organisationen als komplexe Systeme zu vielschichtig. Nehmen wir das mit Demut und Neugier an, verändert sich unser Blick auf Veränderungen fundamental. Wir gehen nicht mehr davon aus, dass wir den Veränderungsprozess der nächsten 2 Jahre in einem Programm, vielen Subprojekten und Arbeitspaketen planen und steuern können. Wir glauben auch nicht daran, dass Menschen ihr Verhalten oder ihre Einstellung ändern, wenn sie Dinge einfach übergestülpt bekommen. We do it differently!

2. Minimal Viable Changes – Mit kleinen Schritten mehr erreichen

We do it differently! Nicht strikte Vorab-Planungen, sondern kleinschrittiges, erprobendes Herantasten und aufmerksames Lernen stehen im Zentrum. Bei agiler Organisationsentwicklung geht es also um die schrittweise (Weiter-)Entwicklung in Richtung zukunftsfähige Organisation.

Das Grundprinzip ist Folgendes:

  • Erkenntnisse generieren: Zuerst generieren wir Erkenntnisse bzw. Insights mit dem Ziel, den Problemraum besser zu verstehen. Daraus entstehen Hypothesen, also Vermutungen über mögliche Wirkungszusammenhänge. Wir gehen nicht von der einen Wahrheit aus. Es sind Realitätskonstruktionen, die wir im weiteren Verlauf beobachten, ändern, und auch mal verwerfen.
  • Optionen auswählen: Aufgrund der Insight können Handlungsoptionen entwickelt werden, also Ideen zu möglichen Veränderungsinitiativen. Diese werden bewertet und priorisiert. Z.B. ganz simpel in Bezug auf Aufwand/Kosten und Nutzen/Wert. Besonders spannend sind die Optionen mit wenig Aufwand und hoher Wirkung. Kurze Lunte, grosser Knall 🙂
  • Veränderung erproben: Da wir nur von Hypothesen ausgehen, haben wir keine Garantie, dass das Gewünschte auch eintritt. Deshalb sehen wir die Umsetzung der Option gerne als Veränderungsexperiment. Manchmal stösst der Begriff des Experiments aber auf Abwehr – kein Problem, man kann auch von Veränderungsinitiative, Change-Massnahme, Pilot, Werkstatt oder Ähnlichem sprechen, je nachdem was anschlussfähiger und kraftvoller ist.

Jetzt gilt es, das Experiment auszuprobieren und umzusetzen. In einem komplexen, dynamischen Umfeld ist ein empirisches Vorgehen die einzige Möglichkeit, Organisationsentwicklung bewusst zu gestalten. Das heisst, wir probieren etwas aus, beobachten die Wirkung und entscheiden, ob das Ganze hilfreich oder eine Schnapsidee war. Ob es beibehalten, ausgedehnt oder verworfen werden sollte. Ob es das auslöst, was wir uns erhofft haben, oder Widerstände und Unmut die Folge sind.

Mit den in diesem Durchlauf gewonnenen Erkenntnissen geht es schliesslich in die nächste Runde und es geht wieder von vorne los!

3. Ergebnisoffenheit ist gefragt

Das, was vielleicht nun so einfach klingt, ist gar nicht so easy. Denn wir wissen nicht wirklich, was in der Organisation passiert. Wir haben ja keinen Plan im klassischen Sinn. Das erfordert die Bereitschaft zur Ergebnisoffenheit. Diese ist zu Beginn oft ziemlich ungewohnt. Vertraut man in den Prozess, wird die Unsicherheit und Sorge sehr schnell in Energie, Motivation und Veränderungsfreude umgewandelt. Bleiben wir nämlich in unserem Change-Cycle – d.h. lernen aus dem ersten Experiment, gewinnen weitere Erkenntnisse und Optionen, leiten den nächsten Veränderungsschritt ein – entsteht plötzlich Vibration in der Organisation. Und es passiert Change. Ganz wahr- und leibhaftig.

4. Mit Mut & Bedacht

Für uns erfolgt die Initiierung von Veränderungen immer im Wechselspiel aus Mut und Bedacht. Neugieriges Ausprobieren in einem abgesteckten Rahmen. Wir begrenzen das Veränderungsexperiment also bewusst – probieren es erstmal in einem kleinen Bereich oder für eine bestimmte Zeit. Somit schützen wir die Umwelt vor ungewollten Übergriffen, reduzieren sowohl das Risiko ungewollter Nebenwirkungen als auch Fehlinvestitionen und adressieren das natürliche Sicherheitsbedürfnis der Menschen. Wir experimentieren also nicht wild drauf los, sondern mit Sinn und Verstand. Wenn wir unsere Experimente vorbereiten, bedeutet das konkret, dass wir sie mit einer gewissen Systematik versehen und sie dadurch empirisch bewertbar werden.

Es ist wesentlich, festzulegen, wer, wann und wie über den Ausgang und Fortgang der Experimente befindet und entscheidet. Dazu gehören beispielsweise folgende Fragen: Was wollen wir erreichen und konkret beobachten? Welchen möglichen Verlust können wir uns leisten? Ist der erwartete Nutzen gross genug? Wie ist unsere Definition von «fertig»? Wann gilt das Experiment als abgeschlossen und evaluierbar? Gibt es weitere Rahmenbedingungen oder sogar inhaltliche, zeitliche Abbruchkriterien, die wir festlegen sollten?

Ein gutes Experiment ist also eine spezielle Situation mit ausgewählten Rahmenbedingungen und Beteiligten in einem geschützten Raum.

5. Betroffene werden zu Beteiligten!

Das Wichtigste zum Schluss. Wer treibt die Veränderung voran? Nicht die Expert:innen oder Berater:innen. Nein – diejenigen, welche die Veränderung betrifft. Das Credo lautet: Die Betroffenen zu Beteiligten machen! Formiert ein Change Team aus Mitarbeitenden, das – auf einem klar abgesteckten Spielfeld, ausgestattet mit Kompetenzen, Verantwortlichkeiten, Ressourcen und dem Commitment von oben – die Veränderung in die Organisation bringen kann. Und dann, liebes Change Team: Get out of the Planning Room! Anstatt den Change im stillen Kämmerlein zu planen, ist die Einbindung der Mitarbeitenden von Beginn an absolut essenziell. Trefft die vom Change Betroffenen, überprüft eure Hypothesen, hört aktiv zu, holt Feedback zu geplanten Experimenten ein, profitiert von der Fülle an Ideen, ladet sie ein zu Workshops oder Lean Coffee Veranstaltungen, lasst sie mitgestalten und lasst sie teilhaben. Erzählt das Warum, Was und Wie – kontinuierlich und transparent.

 

Der höchste Erfolg ist zu erwarten, wenn die Beteiligten die Veränderung selbst erstellen, durchführen und steuern. So entsteht Vibration in der Organisation. So können wir den Ball der Veränderung nicht nur in der Luft halten, sondern damit spielen. Mit Freude und Energie in Richtung zukunftsfähige Organisation!

 

Folgende Literaturen bilden die Quelle der Inspiration für den Inhalt dieses Blogs:

Lean Change Management Canvases

Jason Little (2016): Lean Change Management – Innovative Ansätze für das Management organisationaler Veränderung

Bernd Oestereich und Claudia Schröder: Agile Organisationsentwicklung – Handbuch zum Aufbau anpassungsfähiger Organisationen (2019)

Über die Autorin

Dr. Saskia Baer, HR Learning Professional, Organisationsentwicklerin, systemischer Coach, Lean Change Agent und Beraterin begleitet Menschen und Organisationen auf ihrem Weg zu mehr Freude, Sinn und Nutzen in der Arbeitswelt. Ihre Schwerpunktthemen sind HR Transformation, agile Personalentwicklung, neue Formen der Zusammenarbeit und zukunftsfähige Führung. Mit viel Erfahrung in leitenden (HR-)Corporate Funktionen, im Consulting und einer Promotion an der HSG bringt sie so einiges mit, um Organisationen auf das nächste Level zu bringen.

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