StrategieberatungHR Trends 2023

HR- und Arbeitswelt-Trends 2023

HR Trends 2023

von Christoph Jordi

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Wir werfen wieder einen Blick in die Zukunft. Was hat uns letztes Jahr beeindruckt? Wie erleben wir unsere Kund:innen? Woher weht der Wind? Hier sind die wichtigsten Arbeitswelt- und HR-Trends 2023. Auffallend dieses Jahr: Wir kämpfen mit neuen Realitäten. Die Trends überholen rechts. Wir kommen unter Zugzwang und stecken oft noch in alten Denkmodellen fest.

Arbeitswelt-Trend 1: Generation Z ist da

Dringlichkeit *****
Erfolgsrelevanz ***
Schwierigkeitsgrad ***

Lange Zeit hatten wir nur davon gehört. Ungläubig gelesen, was da auf uns zukommt. Jetzt ist sie da. Die Generation, die alles will und meint, alles zu können. Dafür klare Forderungen stellt und dann doch nach wenigen Monaten schon keinen Bock mehr hat. Jetzt ist noch der Arbeitsmarkt gekippt und wir sind wirklich auf die neuen Jungen angewiesen. Wir beissen in den sauren Apfel und wundern uns. Die können wirklich was! Und machen trotzdem alles anders. Kaum auszuhalten für Generation X. Und jetzt müssen wir uns auch noch bei denen bewerben, damit wir unsere Jobs vertickt kriegen. Gefragt ist Kreativität, Offenheit und neue Ideen für unkonventionelle Lohn- und Arbeitsmodelle. Die Frage ist, wie Unternehmen verschiedene Ansprüche von verschiedenen Generationen unter einen Hut bringen. Einheitslösungen werden nicht funktionieren. So viel ist klar.

HR-Trend 2: Ins Museum damit!

Dringlichkeit *****
Erfolgsrelevanz *****
Schwierigkeitsgrad ***

Wer mit herkömmlichen Funktionsbeschreibungen arbeitet und Kandidat:innen per «Sie» datet, ist definitiv von gestern. Zeugnisse, Referenzauskünfte, Motivationsschreiben gehören ins HR-Museum. Das Zauberwort heisst Kundenorientierung. Wir rekrutieren nicht mehr. Wir verkaufen Entwicklungsmöglichkeiten. Wir stellen keine Zeugnisse aus. Wir warten sehnlichst darauf, dass unsere Mitarbeitenden Sternchen verteilen und hoffentlich einen positiven LinkedIn-Post über uns machen. Das ist die neue Realität. Solange wir in alten Mustern und Prozessen denken, wird uns die Zukunft davonlaufen. Wer nicht im Museum landen willl, muss sich jetzt Gedanken machen. Der ausgetrocknete Arbeitsmarkt ist gerade ein sehr unangenehmer und gnadenloser Beschleuniger dieser Veränderungen.

HR-Trend 3: Revolution in der Rekrutierung

Dringlichkeit ****
Erfolgsrelevanz ****
Schwierigkeitsgrad ***

Wir sind im Arbeitnehmermarkt gelandet. Hart. Wir freuen uns über jede Bewerbung, als hätten wir ein Tor in der Championsleague geschossen. So weit sind wir schon. Jetzt nur nicht das Interview vergeigen! Sonst ist unser Kandidat schon wieder weg. Wir werden geghosted! Und hören einfach nichts mehr von unserem Lieblingskandidaten. Mit anderen Worten: Recruiting hat ausgedient. Sales und Marketing ist gefragt. Statt Stellenausschreibungen gibt es Entwicklungsangebote. Verkaufs- und Networkingevents sind angesagt. Community Management in den verschiedenen Zielgruppen. Allen voran der CEO als Headliner für Mitwirkungsangebote im Unternehmen. Die Linie muss aktiv Promoting betreiben, um neue Mitglieder zu gewinnen. Umdenken, neu denken. Das ist gefragt. Wir hängen noch in den Plattformen unserer Lieferanten fest, die uns vorschreiben, wie viele Zeichen wir in welche Spalte eines Inserates schreiben dürfen, wo und wie der Kandidat Dokumente hochladen muss. Wer sich hier schneller löst, wird gewinnen.

HR-Trend 4: New Pay

Dringlichkeit **
Erfolgsrelevanz ***
Schwierigkeitsgrad ****

Die neue Generation hat es nicht auf unser Geld abgesehen. Vielmehr geht es um ein Gesamtpaket an Leistungen. Dazu gehören Ausbildungsangebote, Ferientage, Gesundheitsförderung, Coaching. Es geht bei New Pay um ein möglichst attraktives Ökosystem. Kinderkrippenplätze, Joker-Tage oder die coole Kaffeebar. Arbeitszeitregelung und die Ausstattung des Arbeitsplatzes oder Versicherungen, Gratiseintritte ins Yogastudio. Das Paket macht die Musik. Und dieses Paket muss optimal abgestimmt sein auf die Vision und Mission des Unternehmens. Wer den Jahreslohn allein als Massstab nimmt, denkt zu kurz. Und natürlich muss diese Mixtur an attraktiven Komponenten auch entsprechend vermarktet werden. Google hat es vorgemacht. Dabei geht es nicht darum, Google zu imitieren, sondern das Mindset dahinter zu verstehen und für das eigene Unternehmen zu übersetzen: Wie entwickeln wir für unsere Zielgruppe einen Angebotsmix, der glaubwürdig und attraktiv ist?

Arbeitswelt-Trend 5: Personalisierung der Arbeitsmodelle

Dringlichkeit ***
Erfolgsrelevanz *****
Schwierigkeitsgrad ****

Personalführung heisst heute, Unterschiede zuzulassen. Wir können Mitarbeitende nicht alle gleich behandeln. Und das verstehen sie auch. Die auf persönliche Vorlieben und Bedürfnisse zugeschnittene Stelle ist das nächste grosse Ding. Die Frage für Unternehmen lautet: Wie können wir massgeschneiderte Arbeitsprofile zulassen und organisieren, damit am Ende eine höhere Wertschöpfung herausschaut? Wie weit können wir uns für wertvolle Talente verbiegen, ohne uns selbst zu verleugnen? Auch hier sind frische Ideen und Offenheit gefragt. Die Kommunikation um diese neuen Ansätze ist absolut zentral. Wer denkt, dass er hie und da „geheime“ Pakete für gewisse Mitarbeitende schnüren kann, ist auf dem falschen Dampfer. Solche Dinge sprechen sich herum. Schneller als Sie Luft holen können. Und wenn sich dann das Gefühl von Ungleichbehandlung mal in der Unternehmung breit gemacht hat, dann haben Sie den Salat. Also lieber mit offenen Karten spielen. Dabei dürfen wir auch mal einen Fehler zugeben.

Arbeitswelt-Trend 6: Agiles verstehen ist nicht schwer, es zu leben dagegen...

Dringlichkeit ***
Erfolgsrelevanz ****
Schwierigkeitsgrad ***

Unternehmen, die mit agilen Organisationsformen und Methoden hantieren, sind nicht neu. Organisationen, die das auch wirklich beherrschen, dagegen schon. Die Zeit der Experimente ist vorbei. Agile Organisationen müssen liefern. Und das können sie nur dann, wenn sie intensiv an sich arbeiten. Wir haben mit Organisationen gearbeitet, die quasi ein Synonym für neue Organisationsformen in der Schweiz sind, und feststellen müssen, dass es gewaltig Kies im Getriebe hat. Wir sehen, dass Organisationen sich überfordern, sich selbst überholen. Die Feststellung, dass man unterwegs eine Leitplanke abrasiert hat, kommt oft reichlich spät. Disfunktionale Teams sind die Folge. Frustrationen und Enttäuschungen die Symptome. Diesen Organisationskater zu bekämpfen, ist quasi die nächste Stufe der Erleuchtung. Aus dem Trend der Organisation, die auf Augenhöhe agierend souverän mehr Leistung erbringen kann, wird jetzt harte Arbeit. Es lohnt sich, nicht aufzugeben!

Arbeitswelt-Trend 7: KI ist die Neue im Büro

Dringlichkeit **
Erfolgsrelevanz **
Schwierigkeitsgrad **

Metaverse und ChatGPT – wer nichts mit diesen Abkürzungen anfangen kann, soll bitte googeln. Jetzt. Wer sich als HR mit ChatGPT beschäftigt, muss sich ein paar Fragen stellen. Wurde das tolle Motivationsschreiben der letzten Kandidatin von einer künstlichen Intelligenz verfasst? Wo kann uns dieses Ding helfen? Worauf müssen wir achten? Ich empfehle, zu experimentieren und zu spielen. Nur so können wir uns mit der neuen Realität anfreunden. Planen Sie interne Veranstaltungen zum Thema. Laden Sie Spezialisten ein, die Ihnen das erklären. Künstliche Intelligenz kann sehr hilfreich sein, aber auch sehr beängstigend. Wie können wir das Metaverse und virtuelle Realitäten in der Ausbildung nutzen? Diese Dinge gilt es, zu ergründen. Lieber früher als später. Und wer weiss denn schon, wer diesen Artikel geschrieben hat??

Arbeitswelt-Trend 8: Das Produktivitätsloch

Dringlichkeit ****
Erfolgsrelevanz *****
Schwierigkeitsgrad ***

Die Produktivität der Mitarbeitenden, so zeigen es die Forschungsresultate, macht kaum Fortschritte. Viele Ablenkungen, unnötige Meetings und die eine überbordende Vielfalt an neuen Anforderungen kombiniert mit Informationsüberfluss treffen auf die Mitarbeitenden. Die Technologie gibt uns nicht mehr Zeit, sondern frisst unsere Aufmerksamkeit. Es gilt dringend, Abhilfe zu schaffen mit handyfreien Zonen, Konzentrationsräumen und meetingfreier Zeit. Wer als Unternehmen die Produktivität steigern will, muss sich um die Mitarbeitenden kümmern. Um ihr geistiges Wohlbefinden. Ausgeglichene und motivierte Mitarbeitende gehen die Extrameile, weil sie wollen. Weil es ihnen gut tut. Fokussierte Mitarbeitende leisten mehr. Übrigens: Kostenoptimierung durch die Entlassung von Mitarbeitenden ist eine ganz schlechte Idee in diesem Kontext. Wenn ein Team gut in sich funktioniert, wird es substanziell besser arbeiten. Das zeigt sich sowohl in der Qualität als auch in der Quantität.

HR-Trend 9: Talent Taskforces im Vormarsch

Dringlichkeit **
Erfolgsrelevanz *****
Schwierigkeitsgrad **

Der Talentpool ist tot. Es leben die Talent Taskforces. Worum geht es? Interdisziplinäre Teams von interessierten und motivierten Talenten lösen eine Herausforderung des Unternehmens. Diese Taskforce hat Zugang zu allen nötigen Informationen und rapportiert direkt an die GL. Diese Teams setzen sich aus freiwilligen Mitarbeitenden zusammen, die sich einem Thema vertieft widmen möchten. Sie suchen das Thema aktiv, um eigene Lernerfahrungen zu machen. Es kann ein LinkedIn-Team sein, das interdisziplinär organisiert während drei Monaten die LinkedIn-Agenda bestimmt. Es kann eine Taskforce «Metaverse» geben, die Ausbildungen und Events zum Thema organisiert. Diese Teams bilden sich rasch, erledigen eine Aufgabe und lösen sich wieder auf. Trotzdem geben sie den Teilnehmenden eine Präsenz und Sichtbarkeit in der Organisation und oft auch vor der GL. Diese Teams machen Wissen zugänglich und sind ein Booster für interdisziplinäre Zusammenarbeit. Sie sind viel weniger formell als klassische Talentpools. Wer bei einer Taskforce dabei war, hat nicht mehr oder weniger Rechte als andere Mitarbeitende. Diese Personen sind aber reicher an Erfahrungen und Lernerlebnissen. Deshalb sind sie wertvoll.

Arbeitswelt-Trend 10: Sinn macht Sinn

Dringlichkeit *****
Erfolgsrelevanz ****
Schwierigkeitsgrad **

Wir schliessen den Kreis zu neuen Generationen. Wenn wir als Organisation neben Umsatz und EBIT keinen tieferen Sinn sehen, dann haben wir ein Problem. Viele Unternehmen hangeln sich noch weitgehend ohne saubere Mission/Vision von Jahresabschluss zu Jahresabschluss. Oft auch ziemlich strategiefrei oder zumindest sehr opportunistisch. Und das finden zunehmend mehr Mitarbeitende als nicht sehr motivierend. Allen voran die Generation Z. Unternehmen und ihre Arbeitsstellen werden immer mehr zu Identifikationsplattformen für die Mitarbeitenden. Sie wollen Teil sein von etwas Wichtigem. Von etwas Grossem, das die Welt vorwärtsbringt.
Die Arbeit wird Ausdruck des eigenen Lebensgefühls und des eigenen Selbstverständnisses. So in etwa, wie wenn man sich für vegane Ernährung entscheidet oder aus Prinzip keine Kleider von Zara trägt. Arbeit ist ein Lebensgefühl und Ausdruck der eigenen Identität.

Fazit: Arbeitswelt- und HR-Trends 2023

Es ist kompliziert. Die Welle rollt und wir können kaum folgen. Es gibt sie nicht mehr – die Personalarbeit nach Lehrbuch. Wir müssen eigene Wege suchen und kreativ werden. Glaubwürdig, originell, ehrlich, transparent, mutig. Das könnten Stichworte sein, die uns leiten sollen. Keine Angst vor heiligen Kühen also. Das Veränderungstempo kann einen erdrücken oder ein Spielfeld werden für neue Ansätze und frisches Denken. Und das kann sehr viel Spass machen. Packen Sie diese Chancen!

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Über den Autor

Christoph Jordi

Christoph begleitet mit DoDifferent seit 2011 Unternehmen aller Grössen und Branchen bei strategischen Personalprojekten. Aktuell beschäftigt er sich neben Employer Branding stark mit digitaler Transformation, Kulturwandel und Agilität im HR. Seine Überzeugung: Die kleinen Dinge machen den grossen Unterschied. Als kreativer Macher bringt er Pfeffer in Workshops und liebt es, komplexe Themen zu strukturieren. Zudem hat er VR Erfahrung und präsidiert seit über 15 Jahren den Stiftungsrat einer grösseren NGO. Christoph war jahrelang Chief Marketing Officer der Winterthur Versicherungsgruppe. Beim AXA Konzern gehörte er als Group Head of Learning & Development sowie als Global Head Organisation Development zum Global HR Board. Seine Arbeitsorte: Zürich, Tokio, Paris.

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